Archiv 2020

„Gibt es meine Arbeit nach Corona noch?“

Ich habe Angst, dass ich meinen Arbeitsplatz verliere.“ Dies sagte mir diese Woche eine Frau im Rollstuhl. Sie lebt in einer gemeinschaftlichen Wohnform und arbeitet in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM). „Ich arbeite am Computer. Und jetzt kehren die ersten Beschäftigten wieder in die WfbM zurück – aber nur die, die mit Bus oder Bahn selber zur Werkstatt kommen können. Und ich muss noch in der Wohngruppe bleiben, weil ich einen Sonderfahrdienst brauche. Sag mir bitte, gibt es meine Arbeit nach Corona noch?“

Arbeit ist für Menschen mit Behinderung mehr als Broterwerb.
Arbeit bedeutet auch:
– Tagesstruktur im Alltag
– Anerkennung für das, was man tut
– Soziale Kontakte

Die Arbeit fehlt. Zunächst fühlte sich alles nach Urlaub an. Aber jetzt sind die Werkstätten schon über zwei Monate geschlossen. Nur wenige sind inzwischen zurück. Und es fällt schwer, zu verstehen, warum Kollege A schon wieder arbeiten darf und man selbst noch nicht. Klar, es geht um den Schutz der Gesundheit. Und wir alle wollen gesund bleiben.

Es ist nicht einfach, die Corona-Verordnungen zu verstehen. Wir müssen erklären, warum wer schon wieder zurück in die Werkstatt darf und warum andere das noch nicht dürfen. Wir im LVKM machen dies so gut wir können. Einfach ist es nicht. Es reicht nicht aus, zu sagen, dass das Abstand halten im Kleinbus schwieriger ist als in der Stadtbahn oder im großen Bus. Die Regeln müssen verständlich sein – für alle.

„Nur weil ich im Rollstuhl sitze und nicht allein mit dem großen Bus fahren kann, muss ich daheim bleiben. Das ist gemein. Ich versteh‘ das nicht“, sagt die Frau am Telefon. Sie ist einsam, traurig und wütend. „Sag mir bitte, gibt es meine Arbeit nach Corona noch? Oder macht es dann jemand anderes? Und was wird dann mit mir? Was mache ich?“ Ganz ehrlich: ich weiß es nicht. Für die Anruferin war es nur ein kleiner Trost, dass ich ihr sagte, dass sie auf jeden Fall weiter in der Werkstatt arbeiten kann. Als Werkstattbeschäftigte kann sie nicht gekündigt werden.

Die Werkstatträte Baden-Württemberg machen ihren Kollegen Mut. Sie erklären in einem offenen Brief, wie es weitergehen kann. Sie finden den Brief unter https://www.wr-ba-wue.de/dokumente/upload/15512_Liebe_Kolleginnen_und_Kollegen.pdf

Herzlichen Glückwunsch Grundgesetz!

Unsere Verfassung, das Grundgesetz, macht auch in der Corona-Krise keine Pause. Und das ist gut so! Heute ist der „Tag des Grundgesetzes“. Es wurde am 23. Mai 1949 „geboren“. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben damit die Basis für unsere Demokratie und für unser Zusammenleben gelegt. „Die Würde des Menschen ist unantastbar,“ heißt es in Artikel 1. Im Alltag ringen wir ununterbrochen darum, wie dieses Grundrecht für uns alle mit Leben gefüllt werden kann. Einfach ist es nie.

„Pausentaste für ein selbst bestimmt Leben.“

Um die Gesundheit – also unser Recht auf körperliche Unversehrtheit – zu schützen, leben wir alle derzeit mit einer nicht unerheblichen Einschränkung unserer Grundrechte. Sich einfach so mit Freunden und Familie zu treffen, geht nicht. Kontaktverbot, Abstand halten – für die Gesundheit. Für Menschen mit Behinderungen sind diese Einschränkungen besonders hart. „Ich fühle mich eingesperrt“, sagte diese Woche eine Frau zu mir. Sie lebt in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft. „Ich darf nicht selber einkaufen gehen, damit ich den Scheiß-Virus nicht kriege, nicht krank werde und auch niemand anstecken kann. Und meine Familie, meine Freunde kann ich auch nicht treffen. Per Videotelefonie Kontakt halten, funktioniert auch nicht. Meine Eltern sind schon sehr alt und sie haben keinen Computer oder ein Smartphone. Und ich habe zwar ein Handy, aber ich brauche Hilfe, um es zu nutzen. Telefonieren geht schon, aber ich will meine Freunde und meine Familie mal wieder sehen. Und niemand kann mir sagen, wie lange das noch geht. Sag mir doch einfach, wann ich wieder wie in meinen normalen Alltag zurück darf. Mir reicht es.“

„Demokratie braucht Inklusion. Und Inklusion braucht Barrierefreiheit.“

So wie ihr geht es Vielen. In der Corona-Krise müssen wir alle Abstand halten. Immer mehr Menschen mit Behinderungen sind ungeduldig, fragen bei uns in der Geschäftsstelle nach. Aktuelle barrierefreie Informationen über die Corona-Krise fehlen. Fast jede Woche gibt es neue Corona-Verordnungen. Da geht der Überblick schon mal verloren. Was gilt für wen ab wann und wo? Da schwirrt einem der Kopf. Wie war das jetzt? Auch ich komme mir ab und zu vor, wie Hänsel und Gretel im Wald. Ich tapse aber ab und zu auch etwas orientierungslos durch den Paragrafendschungel, lese die vielen Texte, um sie dann Ratsuchenden zu erklären. Es wäre so wichtig, wenn es diese komplizierten Texte auch aktuell als barrierefreie Version da wäre – und war direkt von der Landesregierung, die die Regeln schreibt. Doch die aktuellen Verordnungen gibt es nicht in Leichter Sprache. Und auch die vielen Fragen und Antworten (FAQ) auch nicht. Ganz anders sieht es in Bayern aus. Dort gibt es sämtliche Neuerungen, die in Pressekonferenzen vorgestellt werden, in Leichter Sprache. Davon können wir in Baden-Württemberg noch immer nur träumen. Vor zwei Monaten hatten wir in einem Brief an die Landesregierung appelliert, barrierefreie Informationen zur Corona-Krise aktuell bereitzustellen, denn Demokratie braucht Inklusion. Und Inklusion braucht Barrierefreiheit. Eine Antwort auf unseren Brief haben wir noch nicht. Aber immerhin gibt es seit dieser Woche ein Erklärvideo zu Regeln zum Schutz vor dem Corona-Virus in Leichter Sprache und mit Untertitel. Ein Anfang ist gemacht …
https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/de/service/media/mid/regeln-zum-schutz-vor-dem-coronavirus-in-leichter-sprache/


„Internationaler Tag der Familie“: Familien am Limit – unsichtbar

Heute ist der „Internationationale Tag der Familie“. Ein Grund mehr, nochmals einen besonderen Blick auf die Familien mit behinderten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu werfen. Seit zwei Monaten sind sie mit der Betreuung ihrer Kinder allein zuhause. Die Corona-Krise hat sie in unvorstellbarem Maße kalt erwischt. Die Familien waren davor schon vielfach am Limit – und sind es jetzt noch umso mehr. Und wo ist das Licht am Ende des Tunnels?

Viele Familien, vor allem Mütter, machen ihrem Ärger Luft. Sie halten es kaum noch aus. Sie wenden sich an uns per E-Mail oder auch telefonisch. Stellvertretend zitiere ich aus einer Mail:


„Das ständige Kämpfen macht müde.“


„Das ständige Kämpfen macht müde… komisch, dass Eltern mit gesunden Kindern nicht kämpfen müssen. Da gibt es Kernzeitbetreuung, viele Ferienangebote, bessere Notbetreuung etc. komisch, dass das bei unseren Kindern nicht selbstverständlich ist. Es sollte gerade andersherum sein. Ich bin das ständige Betteln leid, habe jetzt mehrmals in der Schule angerufen und um einen Notplatz gebeten, aber wenn kein Personal zur Verfügung steht, geht’s halt nicht…“


Sie trifft das Problem auf den Punkt. Diese Ungleichbehandlung von nicht behinderten und behinderten Kindern muss endlich ein Ende haben!

Die Mutter, die ich gerade zitiert habe, hat zwei Kinder, von denen eines schwer behindert ist. Für den nicht behinderten kleinen Bruder hat jetzt der Regelkindergarten einen Notplatz angeboten, weil man dort die schwierige Familienlage erkannt hat. Mit Recht fragt die Mutter, wieso sie für ihr schwer behindertes Kind keine Notbetreuung erhält. Leider hat sich der Schulkindergarten in öffentlicher Trägerschaft – aus meiner Sicht – „weggeduckt“. Und leider ist das kein Einzelfall.

Es sind so unglaublich viele Mütter, die sich in diesen Tagen an uns wenden. Und das ist sicher nur die Spitze des Eisbergs. Unsere Mitgliedsfamilien sind gerade in der Corona-Krise noch unsichtbarer als sonst. Das muss sich ändern. Und der beste Zeitpunkt, dies zu ändern ist heute, am „Internationalen Tag der Familie!“

… 1,2,3 – raus …

Nein, diese Woche ist mir mehr zum Heulen denn zum Lachen. Niemand redet derzeit, wie Menschen mit und ohne Behinderung in einer inklusiven Gesellschaft gemeinsam gut durch die Corona-Krise kommen. Und selbst in mir, die ich mich gerne scherzhaft „edel-behindert“ bezeichne, spüre ich – erstmals seit meinen Kindertagen in den 1960er-Jahren – wie das Gefühl der Hilflosigkeit, des Ausgegrenzt-Werdens aufgrund einer Behinderung zurückkommt. Und dabei wollen wir nur eins – dazuzugehören. Doch wer sich nicht anpassen kann, fliegt derzeit 1,2,3 – raus. Einfach so …


Stell Dir vor, es gibt eine Ausnahme von der Maskenpflicht – und (kaum) einer kennt sie!


Das Telefon stand diese Woche nicht still. Da ist Frau A., die ein ärztliches Attest hat, das sie von der Maskenpflicht befreit. Sie wird von der Security am Eingang eines großen Kaufhauses in Stuttgart am Betreten verhindert. Das Vorzeigen des Attests half nicht weiter. Und auch der Ruf nach der Geschäftsleitung änderte nichts an der Botschaft: „Sie kommen hier nicht rein.“ Und da ist Frau B., Mutter einer schwerstbehinderten Tochter, die keine Maske tragen kann. Sie musste für das ärztliche Attest 10 Euro Gebühren zahlen. Und wird von ihren Mitmenschen unterwegs schief angeschaut, dass sie sich nicht mehr traut, mit der Tochter unterwegs zu sein. Statt mit dem Bus fahren sie wieder mit dem eigenen Auto zum Arzt. Diese Blicke tun weh, verletzen, diskriminieren. Auch kenne diese Blicke aus meiner Kindheit …. es fühlt sich so schlimm an. Und das Schlimmste: man ist in diesem Moment so ausgeliefert, kann sich nicht wehren.

Hinweisschild für Läden zur Maskenpflicht – Ausnahmen werden nicht erwähnt …

Die Corona-Verordnung Baden-Württemberg sieht aber Ausnahmen von der „Pflicht zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen“ vor. In § 3 Absatz 1 Satz der Verordnung heißt es wörtlich: „wenn dies nicht aus medizinischen Gründen oder aus sonstigen zwingenden Gründen unzumutbar ist oder wenn nicht ein anderweitiger mindestens gleichwertiger baulicher Schutz besteht.“ Soweit, so gut. Doch die Werbekampagne der Landesregierung erwähnt die Ausnahmen nicht mal in der Fußnote. Wie also schaffen wir es, dass die Ausnahmeregelung nicht nur die Menschen mit Behinderungen kennen, die auf die Befreiung von der Maskenpflicht angewiesen sind?



Stell Dir vor, Du sitzt im Rollstuhl und kannst keinen Einkaufswagen benutzen!


Eine andere Frau, ein anderer Ort. Frau X lebt in der eigenen Wohnung und ist mit einem Elektro-Rollstuhl unterwegs. Wie gewohnt wollte sie in einem ihr bekannten Drogeriemarkt einkaufen. Am Eingang wurde sie von der Security aufgefordert, einen Einkaufswagen zu nutzen. Das funktioniert aber nicht mit Elektro-Rollstuhl. Eine Mitarbeiterin des Drogeriemarktes kam dazu, entschuldigte sich ein bisschen, blieb aber dabei, dass sie ohne Einkaufswagen nicht in den Laden könne. „Es ist halt so.“ Eine andere Kundin kam zur Hilfe und besorgte die gewünschten Artikel, während Frau X. im Rollstuhl draußen warten musste. Selbstbestimmung? Es ist so frustrierend, diskriminierend.

Beide Bespiele sind typisch. Und sie dürfen so nicht passieren. In beiden Beispielen liegt ein Verstoß gegen das Antidiskriminierungsgesetz (AGG) vor. Die neutrale Regelung (Masken- bzw. Einkaufswagenplicht zum Senken des Infektionsrisikos) als nicht sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig zu bewerten ist (§3 Absatz 2 AGG). Unverhältnismäßig ist, wenn es keine Ausnahme in begründeten Einzelfällen zugelassen wird. Durch eine solche Ausnahme würde das Infektionsrisiko auch allenfalls in einer zu vernachlässigenden Weise erhöht werden. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sammelt solche Beispiele, die – leider – keine Einzelfälle sind.

Und die Moral von der Geschichte? Auch wenn es schwer fällt, wehren Sie sich gegen Diskriminierung im Alltag aufgrund einer Behinderung! Sie sind nicht allein! Selbsthilfe tut gut. Rufen Sie an, schreiben Sie uns! Gemeinsam sind wir stark!

Barrierefreiheit!? – Völlig überwertet?

Jede Barriere ist eine zu viel.“ Vor einigen Jahren hatte die AKTION MENSCH den Aktionstag zum Europäischen Gleichstellungstag von Menschen mit Behinderungen (5. Mai) unter dieses Motto gestellt. Das war gut so. Inklusion ohne eine umfassende Barrierefreiheit geht nicht. Das Recht auf Zugänglichkeit ist auch ein zentrales Thema in der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Barrierefreiheit ist auch weit mehr als abgesenkte Bordsteine, Rampe und Aufzug. Doch wenn ich auf diese Woche zurückblicke, wird Barrierefreiheit von Vielen als „nice to have“ – also auf gut Schwäbisch als „muss nedd unbedingt sein“, also ein Beiwerk, eine Nebensache, etwas, das keine Funktion oder Verbesserung hat, also leicht verzichtbar und halt nur nett. Ist Barrierefreiheit also völlig überbewertet? Nein, natürlich nicht!!!

„Demokratie braucht Inklusion und Barrierefreiheit.“

In der aktuellen Corona-Krise sind alle online. Wer nicht digital unterwegs ist, ist außen vor. Doch wer denkt da gerade an die Menschen, die aufgrund von Krankheit oder Behinderung nicht ohne Weiteres digital unterwegs sein können? Oder eben dabei Unterstützung brauchen? Oder einfach nur darauf angewiesen sind, dass die digitalen Lösungen – vom Videokonferenztool bis zur Unterhaltungs-App und dem Antragsformular für eine Dienstleistung einer Behörde oder dem Bestellformular beim Online-Shopping – von Anfang an barrierefrei geplant und umgesetzt sind.
Am Donnerstag hat der Landtag einen Gesetzentwurf beschlossen, der Gemeinden und Landkreisen Gremiensitzungen in Form von Videokonferenzen durchzuführen. Gerade in Zeiten von Corona ist es richtig, Lösungen für einen vorbeugenden Gesundheitsschutz zu suchen. Doch niemand hat sich darüber Gedanken gemacht, ob tatsächlich nur Videokonferenztools zum Einsatz kommen, die barrierefrei nutzbar sind. Interessierte Bürgerinnen und Bürger, die die öffentliche Sitzung verfolgen wollen, müssen dazu „in einen öffentlich zugänglichen Raum“ gehen, in den die Gremiensitzung übertragen wird. Und der muss nicht barrierefrei sein. Das Wort „barrierefrei“ taucht im Gesetz und der Begründung gar nicht auf. Weder die Landesbehindertenbeauftragte noch der Landesbehindertenbeirat noch die Selbsthilfeverbände von Menschen mit Behinderungen wurden im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens in irgendeiner Weise beteiligt. Wir haben zufällig davon erfahren – und dann ungefragt uns eingemischt, nachzulesen unter https://www.lv-koerperbehinderte-bw.de/pdf/lvkmbw-gemO-42020.pdf

Anderes Beispiel: muss Händedesinfektion barrierefrei sein?!

Zugegeben, es ist toll, wie kreativ schwäbische Tüftler sind. Diese Woche las ich im Lokalteil meiner Tageszeitung, dass eine Firma einen Desinfektionsspender entwickelt hat, der sich mit dem Fuß bedienen lässt. Normalerweise baut die Firma Einrichtungen und Bewässerungssysteme für Gewächshäuser. Mitarbeiter haben sich Gedanken gemacht, wie sie sinnvoll ihre Gemeinde unterstützen können –und haben innerhalb von 10 Tagen den kontaktlosen Desinfektionsspender entwickelt, den man überall aufstellen kann. Ein Fußtritt löst einen Federmechanismus aus, der die Ausgabe des Händedesinfektionsmittels auslöst. Man muss nur die Hand darunter halten. Eine tolle Idee, keine Frage. Und die Gemeinde hat sofort eine größere Menge bestellt – für das Rathaus, die Schulen, und die Kindertagesstätten. Alle sind begeistert Wirklich alle? Wir fragen uns, wie Menschen im Rollstuhl oder mit Rollator dem Ding einen Fußtritt geben können? Und niemand fragt sich, wie blinde / sehbehinderte Menschen den Desinfektionsspender nutzen können. Warum nur wird Barrierefreiheit noch immer nur als nettes Beiwerk und nicht als unverzichtbarer Bestandteil unseres Alltags verstanden? Das bewegt mich, das bewegt uns im Verband sehr.

„Barrierefreiheit muss sein.“ Barrierefreiheit ist kein „nice to have“.

… aber bitte mit Abstand …

Ansteckung vermeiden „Wir halten zusammen. Auch mit Abstand.“ Die Landesregierung Baden-Württemberg wirbt mit diesem Motto in der aktuellen Coronakrise. Zusammenhalten zählt für uns als Selbsthilfeverband zur Grund-DNA, denn es waren in den 1960er Jahren die Eltern körperbehinderter Kinder, die zusammengehalten haben, sich gegenseitig Mut gemacht und unterstützt haben. Sie haben Ortsvereine und unseren Landesverband gegründet. Warum? Ganz einfach: weil sich die Gesellschaft damals nicht um die Familien mit behinderten Kindern gekümmert hat. Sie waren allein und fühlten sich allein gelassen.
Seit damals hat sich vieles verändert, verbessert. Eigentlich. Doch in der aktuellen Coronakrise kommen bei manchen Erinnerungen an die Gründerzeit auf. Familien mit behinderten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die derzeit Abstand halten und rund um die Uhr zuhause sind, Beruf, Haushalt, Pflege, Betreuung und vieles mehr organisieren, sind nicht nur gefordert. Nein, sie sind auch überfordert. Und sie sind leise, viel zu leise. Sie sind so angespannt im Alltag, dass sie kaum die Kraft haben, laut ihren Ärger, ihre Verzweiflung, ihren Hilferuf zu rufen. Sie hoffen auf Lockerungen, auf die Öffnung von Schulkindergarten, Schulen (SBBZ), Tagesbetreuung, gruppenbezogene Entlastungsangebote. Und natürlich wollen die Familien nicht den Gesundheitsschutz ihrer Kinder mit Behinderung oder gar ihre eigene Gesundheit in Gefahr bringen. Alle sind kreativ, haben Ideen zur Umsetzung – ganz pragmatisch. Für jeden Einzelfall.

Das Kultusministerium hat bereits im März Wege für eine Notbetreuung der Kinder mit Behinderung in SBBZ und Schulkindergärten aufgezeigt. Doch diese Möglichkeiten verpufften ganz oft, weil vor Ort Verantwortliche vermutlich Angst vor der Verantwortung haben, Angebote zu schaffen. In Elternbriefe wird vor der Inanspruchnahme von Angeboten der Notbetreuung gewarnt und auf die vielen Risiken hingewiesen. Eltern werden dadurch eingeschüchtert, sich zu melden und um Hilfe und Notbetreuung zu bitten.

Mich erreichen in den letzten Wochen viele solche Rückmeldungen. Und für mich das Schlimmste daran: ich kann nur zuhören, bin hilflos, kann ich konkret weiterhelfen. Dabei würde ich gerne mit der Faust auf den Tisch hauen, zum Telefonhörer greifen und den jeweiligen Verantwortlichen anweisen, doch bitte, bitte pragmatische Lösungen zu finden – natürlich mit dem nötigen Abstand und der Einhaltung der Hygieneregeln. Ja, das ist schwierig bei Kindern mit komplexen Behinderungen, die vielleicht nicht verstehen, was gerade los ist. Aber wir alle müssen es probieren, erklären, erklären und nochmals erklären. Wir müssen alles dafür tun, dass wir wieder langsam in den Alltag zurückfinden. Wir müssen uns selbst schützen, unsere Kinder, betreuende Kräfte, Lehrerinnen und Lehrer – einfach alle. Aber das erreichen wir nicht mit immer komplizierteren Dienstanweisungen und Warnungen. Wir müssen überlegen, wie wir Menschen mit Behinderungen begleiten können in ihren Alltag in Schulkindergarten, SBBZ, WfbM oder Tagesförderstätte – und welche Schutzmaßnahmen wir dazu brauchen. Geben wir zu: wir haben alle ein mulmiges Gefühl. Wir wissen alle nicht, was wirklich richtig oder falsch ist. Uns verbindet aber der Wille, was zu tun, was hilft. Im Kleinen und im Großen.

„Wir beraten persönlich: mit Regenschirm und Abstand.“

Wir haben unsere persönlichen Beratungen derzeit auch eingestellt. Oder auf ein Minimum reduziert. Das gilt auch für unsere Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatungen (EUTB) vor Ort. Und dennoch sind wir für alle da. Und – mit Abstand – gelingen auch kreative Lösungen für persönliche Beratungen. Ein Beispiel meiner Reutlinger EUTB-Kollegin Brigitta Hermanutz: „Gestern saß ich bei einer Klientin im Vorgarten bei Regen – eingepackt in eine Decke und mit Regenschirm versehen. Sie saß in ihrem Zimmer am offenen Fenster und so haben wir unsere Beratung gemacht. Das öffnet doch ganz neue Perspektiven.“

Familien allein zuhause

Seit 5 Wochen sind Kitas, Schulen und Horte geschlossen. Der Spagat zwischen Kinderbetreuung, Homeschooling und Beruf wird für die Eltern zuhause immer schwieriger. Auf Twitter machen sich die überforderten Eltern ihrem Ärger Luft unter dem Hashtag #coronaeltern. Darüber berichteten gestern die ZDF-Nachrichten: https://www.zdf.de/nachrichten/video/coronavirus-coronaeltern-im-internet-100.html

Und wie sieht es bei den Familien mit behinderten Kindern aus?

Darüber berichtet niemand. Die Familien sind nach 5 Wochen am Limit oder darüber. Schulkindergarten, Schule, Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), Tagesförderstätten – alles ist zu. Wann es weitergeht, weiß derzeit niemand. Und Familienentlastende Dienste mussten ihre gruppenbezogene Angebote einstellen. Opas und Omas fallen ebenso als Betreuungspersonen aus, da sie vielfach selbst zu den Risikogruppen zählen. Die Eltern waren bereits am Tag 1 der Schließung der Einrichtungen am Limit – und das ist längst überschritten. Es sind vor allem die Mütter, die auch sonst die Betreuung und die Pflege ihrer behinderten Kinder – unabhängig vom Alter – stemmen. Und die Mütter, die endlich eine Eltern-Kind-Kur bewilligt erhielten, um vom Alltag aufschnaufen zu können, müssen weiter durchhalten. Auch die Eltern-Kind-Reha-Kliniken sind in der aktuellen Coronakrise geschlossen. Eltern am Limit. Wir erhalten viele Mails und Anrufe von Mütter – und wenigen Vätern -, die laut über ihre Erschöpfung sprechen. Dazu gehört Mut. Wir hören diesen „unerhörten Eltern“ zu. Aber leider haben wir auch keine Entlastung anzubieten. Und das macht mich ebenso wütend, traurig und hilflos.

„Alles easy“ – von wegen!

Die Momentaufnahme von Sabine Springer aus dem Landkreis Ludwigsburg steht stellvertretend für viele Mütter, denen wir hier eine Stimme geben wollen:

„Es ist sehr nett, dass sich einmal in der Woche der Klassenlehrer meldet und uns fragt, wie es denn läuft. Als Mutter eines verhaltensorginellen Kindes bin ich gewohnt, dass ich auf solche Fragen mit „es läuft gut“ antworte. Warum? Weil mein Umfeld das so von mir erwartet! Nach jedem Telefonat mit dem Klassenlehrer dachte ich mir, Mensch, warum hast Du nicht die Wahrheit gesagt. Ganz einfach, da ich es nicht gewohnt bin. Mein Bekanntenkreis und auch die Familie wäre tatsächlich überfordert mit einer ehrlichen Antwort. Wie, die kommt nicht zurecht? Uff, dann müsste ich ja da helfen, das kann ich aber nicht! Genau solche Aussagen haben wir schon zuhauf zu hören bekommen. Wir haben gelernt, dahingehend den Leuten ins Gesicht zu lügen und unsere Verfassung, unser Wohlbefinden und wie wir das immer alles managen mit „alles EASY“, „wir schaffen das“, „kein Problem“ zu kommentieren. Nun ruft der verzweifelte Lehrer an, auch da merkt man schon an der Stimme, „Hoffentlich läuft es bei denen, ich kann der Familie ja keine Lösung anbieten“, was soll ich da sagen? Klar läuft es bei uns, es bleibt uns ja nichts anderes übrig.

Wir haben uns letztes Jahr dazu durchgerungen, unseren Sohn ins Internat zu geben, da es mir körperlich sehr schlecht ging und zeitgleich unser Sohn durch seine Autoaggression viel Kraft von mir abverlangte. Sie sehen, der Entschluss für das Internat hatte einen Grund. Nun ist er seit 5 Wochen zuhause, ich habe seit 2 Wochen nicht mehr geschlafen und bin körperlich fix und alle. Wir haben null Chance irgendeine Betreuung für unseren Sohn zu bekommen, alle Kurzzeiteinrichtungen und auch Familienentlastende Dienste dürfen ihre Hilfe nicht anbieten. Entlastung von Seiten der Familie geht auch nicht, da wir zur Zeit nur per Telefon Kontakt zu den Großeltern pflegen.

Aufgrund meines momentanen Gesundheitszustandes werde ich vermutlich ein paar Wochen krank geschrieben. Aber auch Arztbesuche gehen leider nicht, ich kann ja meinen Sohn schlecht alleine lassen. Mit diesen Zeilen möchte ich einen kleinen Einblick geben, dass nicht alles „super“ zuhause läuft. Die Aussicht, dass wir noch lange Zeit auf Entlastung warten müssen macht es nicht leichter. Wir können auch auf kein zeitliches Ziel blicken, da es keins gibt, das mürbt zusätzlich.“

Alltagsmasken – mehr als Mode

Einfacher Mund-Nase-Schutz, Alltagsmasken, community mask – vor einigen Wochen redete hierzulande niemand darüber. Viele kannten die Begriffe höchstens von Reisen nach Asien. Im März noch hatte das Robert-Koch-Institut das Tragen von einfachen Mund-Nase-Schutz nicht empfohlen, änderte dann aber im Laufe der Wochen die Meinung. Einfache Masken helfen, lautet das Motto. Anleitungen zum Selbernähen finden sich im Internet genügend, z.B. auch unter https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/alle-meldungen/meldung/pid/auch-einfache-masken-helfen/

Alltagsmasken – mehr als Mode

In Bussen und Bahnen, beim Einkaufen … immer mehr Menschen tragen solche Alltagsmasken. Sie werden wohl zum angesagtesten Modeaccessoire des Jahres werden. Modefirmen bieten in ihren Online-Shops die passenden Masken zum jeweiligen Outfit an – aus Baumwolle, waschbar bei 60 Grad, nachhaltig. Am Mittwoch und Donnerstag warben die Bundeskanzlerin und der baden-württembergische Ministerpräsident für ein Maskengebot in der Öffentlichkeit. Damit könne man die Ansteckung anderer Menschen eindämmen. Am heutigen Freitag hat die Stadt Sulz am Neckar eine Maskenpflicht angeordnet. Und in der heutigen Ausgabe der „Südwest Presse“ wird der Vizechef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) mit den Worten zitiert, dass man dieser Empfehlung der Politik wenig abgewinnen könne. Die Verwirrung ist groß. Bei uns im Krodil wird auch heftig über das Thema „einfach Maske – ja / nein“ diskutiert. Können denn wirklich alle Masken tragen? Werden Menschen ausgegrenzt werden, wenn sie keine Masken tragen? Fragen über Fragen …

Unsere Vorstandsfrau Petra Nicklas sagt: „Meine Tochter wird sich so ein Ding binnen Sekunden vom Mund reißen, daran zerren und sich dann wahrscheinlich noch weh tun. Fittere Menschen mit Behinderungen, die verstehen, warum man sich schützen soll und wie man sie richtig anzieht, können dies tun. Aber was mit mit autoaggressiven Kindern, Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen, atetotische Kinder, usw.?“ Eine Frau mit chronischer Erkrankung hat Sorge, dass sich alle in Sicherheit wiegen, wenn sie einen einfachen Mund-Nase-Schutz tragen. Aber wenn jemand dann mit den Fingern ständig dran rumzupft – und dann vielleicht den Virus über die Hände weitergibt? Und wie geht es Menschen, die im Gespräch darauf angewiesen sind, von den Lippen abzulesen oder zumindest auch die Mimik brauchen, um das Gesagte zu verstehen? Und was ist in Wohngruppen, wie stellen wir sicher, dass jeder seine persönliche Maske nimmt und nicht einfach die, die gerade auf dem Tisch liegt? Und was kosten die Masken? Fragen über Fragen …

Ich habe zu Ostern eine selbst genähte Maske geschenkt bekommen. Sie ist aus Baumwolle, farbenfroh, chic. Natürlich habe ich die Maske gleich ausprobiert und angezogen. Bereits beim ersten Luftholen wurde ich in meine Kindheit katapuliert. Eine Erinnerung kam hoch, die ich total verdrängt hatte. Ich sah mich plötzlich wieder als 8-jähriges Mädchen, das auf dem OP-Tisch liegt und dem man eine Atemmaske überstülpt, um die Narkose für die anstehende große Operation einzuleiten. Es kroch wieder das Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht in mir hoch. Und binnen Sekunden nahm ich die Maske reflexartig runter …

Alle wollen wir die Ausbreitung von Corona verhindern. Und alle sind wir aufgerufen, Abstand zu halten, damit wir wieder in unseren „normalen“ Alltag zurückkehren können. Ich beginne zuhause, trotz der schlimmen Erinnerungen, das Tragen der Maske zu üben. Einfach ist es nicht. Aber wieviel schwieriger ist es für die Menschen mit schweren Behinderungen? Wir müssen Wege finden, die Schwächsten nicht auszuschließen.





Corona – einfach erklärt

Gelebte Selbsthilfe: Corona leicht erklärt mit Metacom Symbolen von Annette Kitzinger

Die Welt steht Kopf. Innerhalb kürzester Zeit wurde der normale Alltag im Land runtergefahren. Die Landesregierung schreibt in einer Corona-Verordnung was zu tun ist. Und was nicht. Kita schließen, Schule schließen, Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) schließen, keine Familienentlastende Dienste (FED) mehr. Der gesundheitliche Schutz der gesamten Bevölkerung steht ganz oben. Gut so. Aber: wie kann man diese vielen neuen Regeln schnell auch Menschen mit komplexen Behinderungen erklären? Seit Wochen dreht sich auch bei uns im Landesverband (fast) alles um Corona. Fragen über Fragen – von Menschen mit Behinderungen, von Angehörigen. Sie beginnen fast immer mit dem Wörtchen „warum“? Warum darf ich im Wohnheim keinen Besuch mehr bekommen? Warum darf ich nicht mehr in die Werkstatt? Warum ist das Tragen von Mundschutzmasken so wichtig? Aber auch ganz viele Ängste sind dabei. Das reicht von „mir machen die Mundschutzmasken Angst“ bis „wie lange geht das noch?“ Und „wie schütze ich mich vor diesem schrecklichen Virus?“ oder auch „wie wasche ich die Hände richtig?“

Viele Bilder – wenig Worte: Hände waschen ist ganz einfach!

Als das Land „heruntergefahren“ wurde, fehlten Infos in Leichter Sprache aus „erster Hand“, direkt von der Landesregierung, von den Behörden. Manch einer fragte sich, ob Menschen mit Behinderungen Bürger „zweiter Klasse“ sind. Natürlich nicht! Aber eine solche Krise zu meistern, ist für alle ganz schön schwer.

Selbsthilfe war – und ist – angesagt. Die Grafikerin Annette Kitzinger, die viele Menschen mit komplexen Behinderungen durch ihre Symbole für die Unterstützte Kommunikation (UK) kennen, hat ganz schnell die Informationslücke gefüllt. Sie hat Symbole gezeichnet, die ganz leicht erklären, was Sache ist. Einfach so. Ehrenamtlich. Und die Materialen werden ständig erweitert. Für uns ist Annette Kitzinger eine echte „Alltagsheldin“, die uns alle Mut macht. Und dafür sagen wir ganz herzlich „danke“!

PS: Alle Materialien zu Corona und Infektionsschutz gibt es kostenlos zum Download unter https://www.metacom-symbole.de/ (in der Rubrik „Download – verschiedene Materialien“ ganz nach unten scrollen)

… alles Windel oder was? …

Das kann doch gar nicht so schwierig sein? Meinen Sie! Seit über 10 Jahren dauert der Streit um die richtige Versorgung mit Inkontinenzartikeln schon an. Dabei ist eigentlich alles geklärt. Eigentlich. Also im Gesetz. Nach § 33 SGB V haben Versicherte Anspruch auf „… Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, …“ Und die Versicherten müssen sich im Monat mit 10 Euro an den Kosten beteiligen. Also ist doch alles gut, werden Sie sagen. Ja, ist es. Doch im Alltag sieht es oft anders aus. Und das ist nicht in Ordnung.

Wir können gar nicht mehr zählen, wieviele betroffene Familien wir in den vergangenen Jahren zu diesem Thema beraten haben. Unser Bundesverband (bvkm) hat eine Argumentationshilfe entwickelt, die hilft, damit inkontinente Menschen ihr Recht auch im Alltag erhalten.

Wer eine Windel mit hoher Saugkraft, gute Hautverträglichkeit und gute Passform will, wird gerne von den Lieferanten darauf verwiesen, doch eine Zuzahlung aus der eigenen Tasche zu leisten für eine „Komfortversorgung“. Und viele Familien zahlen tatsächlich 80, 100 oder sogar über 150 Euro selbst dazu, weil sie im Alltag nicht Kraft haben, sich mit dem Lieferanten und der Krankenkasse über Anzahl und Qualität der benötigten Windelhosen zu streiten. So mussten Familien sogar „Trinkprotokolle“ führen. Klar, was „oben“ reinfließt, muss „unten“ wieder raus. Manchmal wurde auch unterstellt, dass man die Windelhosen für andere Zwecke nutzt, z.B. zum Aufwischen in der Küche. Anscheinend ist es für Viele unvorstellbar, dass manchmal in 24 Stunden die Windelhose nicht nur 3 – 4 Mal, sondern sogar 6 – 8 Mal gewechselt werden muss. Kann sich denn niemand vorstellen, dass es einfach nicht menschenwürdig ist, über längere Zeit mit einer (halb)vollen Windel unterwegs zu sein? Der Verweis der Hersteller auf die Saugkraft und das maximale Fassungsvermögen klingt in den Ohren der Betroffenen wie Hohn. Das ist vergleichbar mit einem „Starkregenereignis“ in der Kommune. In der Kommune stößt die Kanalisation auch an ihre Kapazitätsgrenzen, hebt die Gullideckel, flutet Keller … zu beobachten nach Unwetter und Hochwasser …

Eigentlich hatten wir gedacht, dass wir alle Argumente mindestens schon einmal gehört haben. Doch vor Ostern haben wir eine neue Variante erfahren, die uns sprachlos macht. Eine Familie nutzt für das behinderte Kind seit Jahren eine Windelhose, die sich im Alltag bewährt hat. Das einzige Manko: die hohe Zuzahlung. Jetzt hat sich die Familie endlich durchgerungen, die Krankenkasse um die volle Finanzierung – abzüglich des Eigenanteils von 10 Euro im Monat – zu übernehmen. Die Krankenkasse zögerte. Dass die Inkontinenzartikel vom Arzt veordnet sind, sei nur der Vollständigkeit erwähnt. Die Krankenkasse hat nun den Hersteller um seine Stellungnahme gebeten. Und der schreibt, dass das Produkt nicht für eine ganztägige Versorgung vorgesehen sei. Und schließlich sei der Hersteller gegenüber der Krankenkasse auch in der Verantwortung, dass den Versicherten durch die Inkontinenzversorgung keine Zusatzerkrankungen entstehen. Das klingt auf den ersten Blick vernünftig, eigentlich. Nur: warum beschreibt dann der Hersteller auf seiner Internetseite das Produkt mit den Worten: „… ist dermatologisch getestet, schützt vor Rücknässung und schont die empfindliche Haut. Aufgrund ihrer sehr hohen Saugkraft eignet sich … besonders für Fälle der schweren und schwersten Harn- und/oder Stuhlinkontinenz sowie für hochgradig pflegebedürftige Personen, wie auch für eine sichere Nachtversorgung. …. verleiht auch mobilen Personen größtmögliche Sicherheit.“

Ostern fällt auch in Zeiten der Corona-Pandemie nicht aus. Unser Wunsch zu Ostern: lieber Hersteller, liebe Krankenkasse … tragt das Licht und die Hoffnung, die mit Ostern verbunden ist, weiter an alle Familien mit behinderten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die auf 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag auf Inkontinenzartikel wie Windelhosen angewiesen sind. Die Familien brauchen Hilfe, Eure Hilfe! Und das ist eigentlich so einfach: liefert und finanziert die notwendigen Windelhosen in der ausreichender Stückzahl und Qualität. Das ist kein Luxus sondern Grundlage für einen Alltag in Würde! Mit vollen Windeln kann man nicht teilhaben … am Leben!