Das Warten hat noch (kein) Ende …
Vor einer Woche fiel in Baden-Württemberg die Priorisierung bei den Coronaschutzimpfungen weg. Und der Impfstoff von Biontech/Pfizer wurde für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren zugelassen. Die Ständige Impfkommission STIKO) hat am Donnerstag die Impfung vorrangig für Kinder und Jugendliche mit Vorerkrankungen / Behinderungen empfohlen. Und nun?
Die Sommerferien kommen. Verständlich, dass viele Familien nach über einem Jahr der Pandemie wieder unbeschwert einen Urlaub verbringen wollen. Und daher drängen viele auf einen baldigen Impftermin, damit das auch wirklich noch vor dem Sommerurlaub klappt. Die Vorfreude, ohne regelmäßige Corona-Schnelltest ein Restaurant, ein Museum, ein Kino oder ein Schwimmbad besuchen zu können, lockt. Und so berichteten einige Medien bereits über eine von einem Elternbeirat eines Gymnasiums in der Region Stuttgart initiierte Impfaktion. Ein Vater, der niedergelassener Arzt ist, bot den Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums einen Impftermin an und besorgte über seine Praxis den erforderlichen Impfstoff. Die Nachfrage war riesig. Irgendwie verständlich.
Wäre da nicht die Kehrseite. Sollten nicht vorrangig Kindern und Jugendlichen mit Vorerkrankungen und Behinderungen, die einen schweren oder gar tödlichen Verlauf einer Covid19-Erkrankung erleiden könnten, geschützt werden? Sie sind seit über einem Jahr ständig in Sorge, schwer zu erkranken. Wird deren Not und Verzweiflung in unserer Gesellschaft nicht (mehr) wahrgenommen? Und was ist mit den vielen Erwachsenen mit Vorerkrankungen und Behinderungen, die es noch nicht geschafft haben, über das umständliche Buchungsverfahren einen Impftermin zu ergattern? Und die auf der langen Warteliste bei den Hausärzten stehen? Diese Woche sagte eine ältere Frau mit Vorerkrankungen zu mir, dass sie auf der Warteliste ihres Hausarztes die Nummer 582 habe. Sie wisse aber nicht, wann sie ein Impfangebot erhalte. Diese Ungewissheit zerre an den Nerven, doch sei sie froh, wenigstens auf einer Warteliste zu stehen. Da sie nicht im Internet unterwegs sei, wäre das für sie die einzige Chance, überhaupt einen Impftermin zu erhalten. Geduld müsse man da schon mitbringen. Also warte sie eben, denn was anderes bliebe ihr ja auch nicht übrig. Jeden Tag höre ich ähnliche Geschichten. Menschen mit Vorerkrankungen und Behinderungen warten und warten und warten … und die Ärzte mit, die ja gerne ihre Patientinnen und Patienten schützen wollen. Aber es fehlt der Impfstoff. Oder es kommt zu wenig an. Oder eben der nicht geeignete.
Unsere Forderung ist klar: solange der Impfstoff Mangelware ist, brauchen wir eine Priorisierung der vulnerablen Personen. Es geht hier um Werte wie Solidarität, Schutz der Gesundheit und Schutz des Lebens. Es geht um nicht mehr, aber auch nicht um weniger. Hoffentlich hat das Warten bald ein Ende.