„Corona macht einsam.“

„Corona macht einsam.“

Die Wochen des sog. Lock-down in der Corona-Krise liegen schon einige Wochen zurück. Wenn man derzeit durch die Innenstädte geht, herrscht fast schon wieder „Normalzustand“. Gedränge, dicht besetzte Straßencafés … nur am Eingang der Ladengeschäfte, an den Haltestellen der Busse und Bahnen weisen Plakate und Aufkleber hin auf Abstand halten und sog. Maskenpflicht …

Diese Woche traf ich einen Mann mit Behinderung, der seit vielen Jahren in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) arbeitet und allein in einer eigenen Wohnung lebt. Als wir uns trafen, sagte er: „Corona macht einsam. Die Arbeit in der Werkstatt hat mir gefehlt. Der Kontakt zu den Arbeitskollegen hat mir gefehlt. Ich war allein zuhause. Keine Kontakte, nichts. Alleine wohnen ist echt doof. Was soll ich nur machen? Ich kann doch nicht wieder daheim bei meinen Eltern einziehen. Meine Eltern sind über 80 Jahre alt. Und einmal daheim ausziehen, ist für immer. Aber allein wohnen ohne Kontakte, ist auch nichts. Aber ich kann doch auch nicht in ein Wohnheim ziehen. Was soll ich nur machen? Ist das Inklusion? Dann will ich das nicht.“

Menschen mit Behinderungen, die alleine leben, fühlen sich allein gelassen. Von einem Tag auf den anderen war der Alltag weg. Die Strukturen, die Sicherheit geben, waren weg. Und neue Strukturen gab es nicht – und gibt es nicht. Corona macht einsam. Zu diesem Ergebnis kamen auch aktuelle Studien. Dabei wurde die Situation von Menschen mit Behinderungen nicht extra untersucht. Was tun gegen Einsamkeit, Depression und Langeweile? Eine allgemein verbindliche Antwort gibt es nicht. Und der Verweis, dass es auch viele Menschen ohne Behinderung gibt, die sich einsam fühlen, hilft nicht weiter.

Nun steigen wieder die Zahl der Neuinfektionen. Experten warnen vor der „zweiten Welle“ in der Corona-Krise. Doch welche Lehren ziehen wir aus der „ersten Welle“? Wie schaffen wir es, dass Menschen mit Behinderungen sich auch künftig trauen, alleine zu leben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen? Wie schaffen wir es, dass Inklusion im Alltag machbar wird? Helfen wir alle mit, dass wir in der Nachbarschaft, in unserem Stadtteil, in unserem Quartier solidarisch sind, uns kümmern und uns gegenseitig helfen. Trauen wir uns, auch in Zeiten des „social distancing“ auf andere zuzugehen und zu sagen, dass wir Hilfe brauchen. Jetzt, hier und heute. Das braucht Mut! Seien wir also mutig und wagen den ersten Schritt! Auch das ist Inklusion!

Jutta Pagel-Steidl

Kommentare sind geschlossen.