Schlagwort Coronaeltern

Familien allein zuhause

Seit 5 Wochen sind Kitas, Schulen und Horte geschlossen. Der Spagat zwischen Kinderbetreuung, Homeschooling und Beruf wird für die Eltern zuhause immer schwieriger. Auf Twitter machen sich die überforderten Eltern ihrem Ärger Luft unter dem Hashtag #coronaeltern. Darüber berichteten gestern die ZDF-Nachrichten: https://www.zdf.de/nachrichten/video/coronavirus-coronaeltern-im-internet-100.html

Und wie sieht es bei den Familien mit behinderten Kindern aus?

Darüber berichtet niemand. Die Familien sind nach 5 Wochen am Limit oder darüber. Schulkindergarten, Schule, Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), Tagesförderstätten – alles ist zu. Wann es weitergeht, weiß derzeit niemand. Und Familienentlastende Dienste mussten ihre gruppenbezogene Angebote einstellen. Opas und Omas fallen ebenso als Betreuungspersonen aus, da sie vielfach selbst zu den Risikogruppen zählen. Die Eltern waren bereits am Tag 1 der Schließung der Einrichtungen am Limit – und das ist längst überschritten. Es sind vor allem die Mütter, die auch sonst die Betreuung und die Pflege ihrer behinderten Kinder – unabhängig vom Alter – stemmen. Und die Mütter, die endlich eine Eltern-Kind-Kur bewilligt erhielten, um vom Alltag aufschnaufen zu können, müssen weiter durchhalten. Auch die Eltern-Kind-Reha-Kliniken sind in der aktuellen Coronakrise geschlossen. Eltern am Limit. Wir erhalten viele Mails und Anrufe von Mütter – und wenigen Vätern -, die laut über ihre Erschöpfung sprechen. Dazu gehört Mut. Wir hören diesen „unerhörten Eltern“ zu. Aber leider haben wir auch keine Entlastung anzubieten. Und das macht mich ebenso wütend, traurig und hilflos.

„Alles easy“ – von wegen!

Die Momentaufnahme von Sabine Springer aus dem Landkreis Ludwigsburg steht stellvertretend für viele Mütter, denen wir hier eine Stimme geben wollen:

„Es ist sehr nett, dass sich einmal in der Woche der Klassenlehrer meldet und uns fragt, wie es denn läuft. Als Mutter eines verhaltensorginellen Kindes bin ich gewohnt, dass ich auf solche Fragen mit „es läuft gut“ antworte. Warum? Weil mein Umfeld das so von mir erwartet! Nach jedem Telefonat mit dem Klassenlehrer dachte ich mir, Mensch, warum hast Du nicht die Wahrheit gesagt. Ganz einfach, da ich es nicht gewohnt bin. Mein Bekanntenkreis und auch die Familie wäre tatsächlich überfordert mit einer ehrlichen Antwort. Wie, die kommt nicht zurecht? Uff, dann müsste ich ja da helfen, das kann ich aber nicht! Genau solche Aussagen haben wir schon zuhauf zu hören bekommen. Wir haben gelernt, dahingehend den Leuten ins Gesicht zu lügen und unsere Verfassung, unser Wohlbefinden und wie wir das immer alles managen mit „alles EASY“, „wir schaffen das“, „kein Problem“ zu kommentieren. Nun ruft der verzweifelte Lehrer an, auch da merkt man schon an der Stimme, „Hoffentlich läuft es bei denen, ich kann der Familie ja keine Lösung anbieten“, was soll ich da sagen? Klar läuft es bei uns, es bleibt uns ja nichts anderes übrig.

Wir haben uns letztes Jahr dazu durchgerungen, unseren Sohn ins Internat zu geben, da es mir körperlich sehr schlecht ging und zeitgleich unser Sohn durch seine Autoaggression viel Kraft von mir abverlangte. Sie sehen, der Entschluss für das Internat hatte einen Grund. Nun ist er seit 5 Wochen zuhause, ich habe seit 2 Wochen nicht mehr geschlafen und bin körperlich fix und alle. Wir haben null Chance irgendeine Betreuung für unseren Sohn zu bekommen, alle Kurzzeiteinrichtungen und auch Familienentlastende Dienste dürfen ihre Hilfe nicht anbieten. Entlastung von Seiten der Familie geht auch nicht, da wir zur Zeit nur per Telefon Kontakt zu den Großeltern pflegen.

Aufgrund meines momentanen Gesundheitszustandes werde ich vermutlich ein paar Wochen krank geschrieben. Aber auch Arztbesuche gehen leider nicht, ich kann ja meinen Sohn schlecht alleine lassen. Mit diesen Zeilen möchte ich einen kleinen Einblick geben, dass nicht alles „super“ zuhause läuft. Die Aussicht, dass wir noch lange Zeit auf Entlastung warten müssen macht es nicht leichter. Wir können auch auf kein zeitliches Ziel blicken, da es keins gibt, das mürbt zusätzlich.“