Bahnstreik: Es fährt kein Zug nach nirgendwo …

Am Dienstag verkündete die Lokführergewerkschaft GDL, am Mittwoch und Donnerstag den Personenverkehr der Deutschen Bahn (DB)zu bestreiken. Streik ist ein legales Mittel, Arbeiternehmerrechte zu erstreiten. Keine Frage. Die DB hat mit einem Ersatzfahrplan reagiert. Doch viele Zugverbindungen dennoch aus.

Hauptbahnhof Stuttgart: Kein Zug fährt.
Hauptbahnhof Stuttgart am Donnerstag: viele Züge fallen aus aufgrund des Bahnstreiks

Für Bahnkunden ohne Behinderung ist so ein Zugausfall lästig, weil oft die Reisezeit sich verlängert und mit mehr Umsteigen verbunden ist. Für mobilitätseingeschränkte Menschen – egal, ob Rollstuhlnutzer, Rollator, blind / sehbehindert – bedeutet nahezu jede Fahrplanabweichung, dass die Bahnfahrt am Bahnsteig endet – und jede Menge Stress, den kein Mensch braucht. Am Donnerstag waren wir daher am Stuttgarter Bahnhof – begleitet von einem Kamerateam des SWR für einen Beitrag in den Landesnachrichten.

Eine Frau im Elektro-Rollstuhl steht am Bahnsteig. Sie berichtet einem Team des SWR, welche Auswirkungen der Bahnstreik für sie hat.
Rollifhahrerin Ines Vorberg schildert, wie sie durch einen Bahnstreik ausgebremst wird.



Hurra, nur ein Bahnsteigwechsel?!

Wenn ein Zug mal nicht am geplanten Bahnsteig einfährt, wen juckt das schon? Klar, alle, die gut zu Fuß sind und auch sonst keine Einschränkungen haben, „juckt“ das nicht. Man muss sich kurz orientieren und schon geht alles seinen gewohnten Gang. Ganz anders für gehbehinderte Menschen und Menschen im Rollstuhl. Wenn der Zug an einem Bahnsteig hält, an dem es keinen Aufzug gibt oder der mal wieder außer Betrieb ist, endet die Reise am Bahnsteig. Dann heißt es, auf den nächsten Zug zu warten, hoffen, dass man mitfahren kann und zu einem Bahnhof zu gelangen, an dem man auch vom Bahnsteig runterkommt. Doch wie organisiert man dann den Weg zum eigentlichen Zielort? Oder Feuerwehr oder Polizei rufen, ob die mit Muskelkraft weiterhilft? Es ist Mist – und leider nichts Ungewöhnliches wie mir viele Betroffene immer wieder erzählen. Abenteuer Bahnreise – und das mit dem regulären Ticket. Klar, im Nachhinein und mit zeitlichem Abstand kann man so manche Anekdote erzählen. Aber wenn man abends um 20 Uhr allein auf dem Bahnsteig steht, da ist das alles andere als lustig. Panik und Stress sind die ständigen Begleiter.

Infos über Abweichungen? Barrierefreie Infos?
Seine Erfahrungen beschreibt ein Mann mit Seheinschränkung folgendermaßen: „Auch Menschen mit Sinnesbehinderungen sind, wie Leute im Rollstuhl, vom Streik in spezieller Weise betroffen, das kann ich Ihnen aus meinen Erfahrungen aus 30 Jahren als Berufspendler versichern. Vor allem die problematische Informationsbeschaffung und das Gedränge auf Bus- und Bahnsteigen waren jedes Mal abenteuerlich.  Auch das Entgegenkommen des Arbeitgebers, dem man flexible Arbeitszeiten zumuten musste, war alles andere als selbstverständlich.“

Alternative: Ersatzfahrplan, Schienenersatzverkehr mit Bus oder doch Taxi?
Reisende im Rollstuhl müssen frühzeitig ihre geplante Fahrt bei der Mobilitätszentrale der Bahn anmelden, damit an den Bahnhöfen ggf. ein Hublift sowie Assistenten beim Ein-, Aus- und Umsteigen helfen können. Spontan mit der Bahn reisen, geht sowieso nicht. Alles ist genau getaktet. Und wenn nun ein Zug ausfällt, erhebliche Verspätungen hat, so kann nicht immer die notwendige Mobilitätshilfe gewährleistet werden. Auf der Internetseite der Bahn sind die Bahnhöfe aufgelistet, die Mobilitätshilfen haben und deren Servicezeiten. An vielen Bahnhöfen ist um 20 Uhr Schluss, an anderen Bahnhöfen gibt es aber gar nichts. Eine Herausforderung.

Schienenersatzverkehr Bus: ist der Bus barrierefrei? Sind die Haltestellen barrierefrei? Ist der Weg dorthin barrierefrei? Infos dazu gibt es nicht. Zwar gibt es – nach erheblichem politischen Druck der Selbsthilfeverbände – inzwischen die gesetzlichen Grundlage dafür, dass auch Fernbusse barrierefrei sein müssen. Doch der Alltag sieht noch völlig anders aus. Und die langen Vorlaufzeiten, die es gibt, um eine Fahrt mit dem Rollstuhl im Fernbus starten zu können, beträgt bei einigen Anbietern mindestens eine Woche. Fällt also kurzfristig ein Zug aus, kann man nicht mal gschwind auf den Fernbus wechseln. Ausgebremst.